von Andreas Rauch
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts gab es Bestrebungen, jedem Innsbrucker Stadtteil ein eigenes Stadtteilwappen zukommen zu lassen. In den meisten Fällen konnte dabei kein historisches Vorbild gefunden werden. Die Wappen wurden unter Anleitung des damaligen Innsbrucker Stadtarchivars und Heraldikspezialisten Franz Heinz Hye neu entworfen.
In Mühlau jedoch lief es anders.
Hier konnte auf eine bereits bestehende und in der Vergangenheit mehrfach verwendete Darstellung zurückgegriffen werden.
Ein kleiner Rückblick auf die Geschichte des Mühlauer Wappens wurde auch bereits in der Festschrift der Mühlauer Schützen anlässlich deren Ausrichtung des Bataillons Schützenfestes im Juni 1998 abgedruckt. Inzwischen sind jedoch weitere historische Darstellungen aufgetaucht. Sie rechtfertigen eine neuerliche Bearbeitung dieses Themas für mühlau.org
Bereits am 21. März 1848 hatten Mühlauer Schützen „mit eigener Fahne“ an einem Fackelzug zur Feier der kurz zuvor vom Kaiser angekündigten Beratung zur „Konstitution des Vaterlandes“ teilgenommen, wie uns der Chronist Gottfried Pusch in seiner tagebuchartigen Innsbrucker Chronik überliefert. Diese Fahne trug noch kein Mühlauer Wappen, sie war der Zeit entsprechend schwarz, rot, golden.
Acht Jahre später war ein Wappen vorhanden. Im Innsbrucker Zeughaus hat sich nämlich ein Album mit folgendem Titel erhalten: „Dem Schützen Vereine zu Mühlau gewidmet vom Schützenrathe Johann Schmid, Assistenten der tirolischen Nordbahn 1856“. Das an die Privatschützengesellschaft Mühlau erinnernde Album enthält erstmals für uns greifbar eine Darstellung des Mühlauer Wappens: Ein frei schwebendes helles Mühlrad in blauem (!) Schild (wohl wegen des Wassers). Die somit erste erhaltene Darstellung entspricht bereits unserem heutigen Stadtteilwappen. Einzig die Farbe des Schildes wird noch von blau auf rot wechseln.
In der Folge scheint die Mühlauer Feuerwehr verschiedene Wappentafeln angefertigt zu haben, von denen vermutlich bereits eines das Mühlauer Wappen war. In den Annalen der Feuerwehr wird nämlich anlässlich eines Festes am 9.1.1876 die Ausschmückung eines Raumes im Badhaus mit Wappenbildern beschrieben. Es handelte sich dabei vermutlich um dieselben Bilder, welche sich immer noch im Besitz der Mühlauer Feuerwehr befinden. Eines dieser Wappen zeigt das Mühlrad auf weißem Grund.
Ein 1901 zur Finanzierung der Lokalbahn Innsbruck-Hall aufgelegter Genussschein bringt das Mühlrad auf grünem Hintergrund, da diese Farbe generell zur Gestaltung des Wertpapiers herangezogen wurde. Ein entsprechendes Exemplar liegt in kopierter Form im Innsbrucker Stadtarchiv.
Die älteste derzeit bekannte Abbildung des Gemeindewappens auf rotem Grund befindet sich in der Pfarrkirche Mühlau. Ferdinand Tschoner widmete der Kirche 1903 ein von M. Gehri gemaltes Bild, das in seiner Widmungszeile diese Darstellung trägt.
Prominent platziert findet es sich dann auf dem 1926/27 errichteten neuen Silo der Rauchmühle an der heutigen Haller Straße wieder.
Das Madonnenbildnis umrahmend wurde es gemeinsam mit dem Innsbrucker Stadt- und dem Tiroler Landeswappen angebracht. Der Künstler war vermutlich Julius Seidler aus München, der Auftraggeber Anton Rauch. Er war seit 1902 Gemeinderat und von 1920 bis 1938 Bürgermeister von Mühlau. Diese Darstellung am Silo diente als Vorbild für das „offizielle“ derzeitige Mühlauer Stadtteilwappen: „Im roten Schild frei schwebend ein silbernes Mühlrad.“
Das im Neubau der Mühlauer Volksschule hängende Wappenexemplar entspricht hingegen nicht Mühlauer Vorstellungen. Es wurde zwar ebenfalls nach einem historischen Vorbild angefertigt, nämlich nach einer in der Rauchmühle aufbewahrten Ledermappe, welche die Verleihungsurkunde der 1930 an Anton Rauch verliehenen Mühlauer Ehrenbürgerschaft umschließt. Nur leider ist besagte Darstellung äußerst untypisch. Einerseits sind die Wasserschaufeln auf zwei Seiten auskragend, was keinen Sinn gibt, andererseits spricht die viereckige Achse mehr für ein Wasserrad einer Schmiede, was wiederum nicht zum Namen Mühlau passt.
Im Besonderen sei noch auf die den Mühlauern wohl vertrauteste Wappendarstellung hingewiesen. Es ist dies das Mühlrad auf der 1929 von Architekt Willi Stigler im Auftrag der Gemeinde Mühlau errichteten neuen Brunnensäule in Mühlau. Um dieses diagonal auf der Brunnensäule stehende Mühlrad rankt sich eine kleine Anekdote: Angeblich hat der in der Anton-Rauch-Straße Nr. 21 wohnende Bäckermeister Bobner einen beträchtlichen finanziellen Beitrag zur Errichtung derselben geleistet. Um aber auch optisch von der Neugestaltung mehr zu haben, soll er verlangt haben, daß das Mühlrad so gedreht werden müsse, dass er es von seinem Haus aus frontal zu Gesicht bekäme. Dies wurde in der Folge auch tatsächlich so durchgeführt. Wenn auch die Entscheidungsfindung über die Stellung des Mühlrades vermutlich komplizierter abgelaufen ist als uns überliefert, so ist doch zumindest eines festzuhalten: Für den aus der Anton-Rauch-Straße nach Mühlau Kommenden bietet nur die gewählte Lösung eine volle Ansicht des Mühlrades, und dies war mit Sicherheit beabsichtigt. Bei zukünftigen Überlegungen die Gestaltung des Mühlauer Dorfplatzes betreffend, sollte besonders Augenmerk darauf gerichtet werden, dass die Brunnensäule immer in der verlängerten Achse der Anton-Rauch-Straße zu stehen kommt, da ansonsten ein wesentliches gestalterisches Element des Mühlauer Dorfbrunnens verloren ginge.
Zu guter Letzt sei noch darauf hingewiesen, dass das 1995 von der Interessengemeinschaft Hungerburg beschlossene Stadtteilwappen aus einem viergeteilten Schild besteht, wobei Feld zwei das rote Mühlauer Wappen wiedergibt. Es soll damit daran erinnert werden, dass ein Teil der Hungerburg auf ehemaligem Mühlauer Gemeindegrund liegt.
Das Mühlauer Wappen ist somit ein gewachsenes, wenngleich es derzeit einmal seine blaue Hintergrundfarbe, welche dem Wasser und dem ersten vorhandenen Vorbild von 1856 besser entspräche, verloren hat.